Tongariro National Park
Wir hatten drei volle Tage im Tongariro National Park, welcher im Zentrum der Nordinsel von Neuseeland liegt, geplant. Weil, eines unserer großen Ziele für die Neuseeland-Reise war ja, das Tongariro Alpine Crossing, eine knapp 20 Kilometer lange Wanderung, vorbei am Mount Tongariro und dem Mount Doom, vorbei am berühmten Red Crater sowie den Emerald und Blue Lakes, zu schaffen. Beim Mount Doom hat übrigens Frodo den Ring hineingeworfen um Gold zu schmelzen oder um die Bösen zu besiegen - also eigentlich war es meiner Meinung nach ja Sam, weil der hat ja schließlich den nichtsnutzigen Frodo schon den ganzen Weg geschleppt und getragen, nur die Ehre mit dem Werfen wurde ihm nicht zu Teil, da halt Frodo der Held sein musste. Wenigstens durfte Sam dann auch auf dem Rücken eines Adlers über die Fiordlands fliegen. Zusammen natürlich mit Frodo. Damit dieser dann tagelang im Bett liegen und sich von seinen Strapazen erholen konnte. Während Sam wahrscheinlich beim kühlen Blonden sass und sich genervt hat.
Zurück zur Wanderung: dafür hatten wir ja eigens in der Schweiz, rund ein Jahr vorher begonnen mit längeren Wanderungen, um uns auch körperlich auf dieses Abenteuer vorzubereiten um wenigstens einigermaßen den Anforderungen, welche man offenbar an dieses Crossing stellt gerecht zu werden.
Die Vorfreude war riesig und immer wieder gingen wir im Geiste die Wanderung durch, haben Erfahrungsberichte gelesen und haben sogar auch in Neuseeland noch, sagen wir mal eine «letzte» Test-Wanderung dafür auf den Roys Peak gemacht. Wir waren also vorbereitet und guten Mutes, die 7 bis 8 Stunden, welche man im Schnitt für das Crossing benötigt, zu schaffen. Wie erwähnt hatten wir die Unterkunft so gebucht, dass wir die Wanderung an zwei Tagen versuchen konnten, planten also sogar mit dem Wetter.
Allerdings machte uns dann aber genau das Wetter einen gehörigen Strich durch die bekannte Rechnung. Am Ankunftstag war es zu Beginn sehr schön, einigermaßen warm, man befindet sich ja im National Park Village auf rund 1000 Meter über Meer. Deshalb planten wir einige kürzere Wanderungen zu zwei Wasserfällen, welche rund 30 Minuten resp. circa zwei Stunden in Anspruch genommen hatten. Wir wollten es ja nicht übertreiben, wäre ja irgendwie blöd gewesen im Vorfeld Muskelkater oder schmerzende Knie zu haben und mit diesen auf eine Tageswanderung zu müssen.
Gegen Abend, wir waren auf dem Rückweg zur Unterkunft, begann es dann zu regnen. Der Himmel wurde überall immer dunkler und Wind kam auf. Wir hoffen, beim Überprüfen des lokalen Wetterberichtes, dass es nur eine vorübergehende Störung sei, welche über Nacht abklingen würde. Leider sagte der Wetterbericht auch für die nächsten Tage nichts Besseres voraus. Leichter Regen war ja eines. Auch mit leichter Kälte hätten wir noch umgehen können. Das Problem ist, dass der Gipfel des Crossings auf rund 1900 Höhenmeter liegt und da die Temperaturen resp. die Wetterkapriolen doch anders sein können wie dies im tieferen Umland der Fall ist. Man kennt es ja aus unseren Alpen. Daher prüft man auch, möchte man das Crossing machen, wie das Wetter auf diesem Gipfel, welcher ungefähr beim Red Crater liegt, ist. Für die folgenden zwei Tage sah es sehr bitter aus. Temperaturen von um die 5 Grad, begleitet von Niederschlag, Wind mit Spitzengeschwindigkeiten von 35 Kilometern die Stunde und das denkbar schlechteste, es war Nebel vorausgesagt. Nun, natürlich kann man jetzt sagen, gegen Kälte und Regen gibt es gute Kleidung und von diesem bisschen Wind würde man auch nicht gleich fortgeblasen. Das mag stimmen. Allerdings gibt es gegen Nebel keine gute Kleidung. Und bekanntlich heisst ja Nebel meistens auch keine Sicht. Und keine Sicht heisst im alpinen Gebirge, wo es nur unbefestigte Pfade gibt, Gefahr. Und es heißt auch keine Fotos. Natürlich gibt es nun solche Menschen, welche sich solche Bedingungen antun, und das Crossing trotzdem machen. Kann man machen, muss man aber nicht. Was sollen wir einen knappen Tag lang durch anstrengendes Gelände wandern um dabei einerseits nichts zu sehen, was irgendwie doof, und vor allem langweilig ist, und andererseits zu frieren? Die Frage hatte sich für uns ziemlich schnell beantwortet. Erzwingen müssen wir das nicht. Und der Tongariro National Park läuft auch nicht davon. Das ist das Praktische an der Natur. Man kann einfach später wiederkommen und es nochmals versuchen. Also in den meisten Fällen.
Also ging es darum, zu planen, was wir während den zwei Tagen, welche ja jetzt freigeworden waren, unternehmen können. Nur, außer Wandern gibt es in diesem Nationalpark nicht viel. Draußen goss es mittlerweile wie aus Eimern. Die Berge des Tongario Massivs konnten wir schon gar nicht mehr sehen. Und am nächsten Tag sollte es im gleichen Stile weitergehen. Den zweiten Tag im Tongariro National Park verbrachten wir also mehrheitlich im und um unser Hotelzimmer, da an Aktivitäten draussen nicht zu denken war. Wir vertrieben uns die Zeit mit dem Schreiben von Blog-Einträgen, Serien und mit Lesen.
Am zweiten Tag wollten wir eine Mountainbike-Tour unternehmen. Das Wetter war, zumindest im flachen Umland etwas besser angekündigt für diesen Tag und daher buchten wir zwei Fahrräder um die Old Coach Tour, einen knapp 18 Kilometer langen Abschnitt einer ehemaligen Eisenbahn, zu fahren.
Nach einer 30-minütigen Fahrt von National Park Village nach Ohakune, dem Ort wo wir die Fahrräder erhalten sollten, checkten wir ein, erhielten Helme, Fahrradhandschuhe sowie natürlich die beiden Mountainbikes. Dann ging es zuerst auf den Anhänger, also die Fahrräder, wir durften vorne im Bus Platz nehmen, damit man uns nach Horopito, dem Startpunkt der Tour bringen konnte.
Es ging los, über Stock und Stein und bald war Nina klar, dass es doch nicht so eine gemütliche Fahrrad-Tour werden sollte wie wir erwartet hatten. Irgendwie hätte uns das ja auch vorher klar sein sollen, hiess doch das gebuchte Package «Mountain Bike Tour» und nicht «City Bike Tour» oder ähnlich. Der Weg, Bachbett oder Trampelpfad würde der Beschreibung allerdings näherkommen, führte durch eine Schlucht, entlang der Bahngeleise einer ehemaligen Eisenbahn. Man passiert dabei alte Bahntrassées, ehemalige Brücken und Viadukte der Eisenbahn, fährt dabei über Pflastersteinwege, welche wahrscheinlich zu Hannibals Zeiten angelegt wurden und bahnt sich so den Weg zurück nach Ohakune. Es war mal was anderes und hat viel Spaß gemacht, mir zumindest. Nina war froh, als wir auf die letzten Kilometer vor Ohakune einbogen.
Am dritten Tag, siehe da, die Sonne schien in voller Pracht, ging es dann weiter, einmal um den Tongariro National Park, auf der Desert Road in Richtung Taupo, unserem nächsten Ziel auf der Reise zurück nach Auckland.
Werden wir nochmals hierhin zurückkehren um die gewünschte Wanderung doch noch zu machen? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen ist, dass das Crossing auch noch in fünf, zehn oder zwanzig Jahren da sein wird und uns erwarten würde, sollten wir den Drang doch nochmals verspüren.