Lake Tekapo
Christchurch hatten wir hinter uns gelassen und steuerten weiter in Richtung Süden. Lake Tekapo, so heisst das Kaff, welches wir ansteuern wollten. Und ja, es ist ein Kaff irgendwo im Zentrum der Südinsel von Neuseeland. Viel gibt es da nicht. Einen See, ein paar Hubschrauberbasen, von wo aus Rundflüge für Touristen angeboten werden, eine Militärbasis und ein Observatorium.
Und genau, weil eben in diesem Lake Tekapo, und ja das Dorf heisst gleich wie der angrenzende See, also genauer gesagt auf dem danebenliegenden Mount John, ein Observatorium liegt, wollten wir dahin. Zappenduster soll es nachts in dieser Region sein. Keine sogenannte Lichtverschmutzung durch umliegende Städte soll hier den Sternenhimmel beeinflussen. Das wollten wir sehen. Wir wollten endlich mal einen Sternenhimmel sehen. Also einen richtigen. Einen unbefleckten, einen reinen Sternenhimmel. Ah ja, die Kirche des guten Hirten, die «Church of the Good Shepherd», steht ebenfalls in diesem Lake Tekapo. Eine Steinkirche, erbaut ca. 1935 am Ufer des Lake Tekapo für die lokale Bevölkerung. In der neuseeländischen Zeitrechnung gilt sie wohl als «heritage» oder «historical», also historisch und alt, die Kirchenbauer im europäischen Mittelalter hätten wohl ein Schmunzeln dafür übriggehabt. Die Kirche an sich ist nichts Besonderes, aus Steinen aus dem näheren Umland und auf einer Anhöhe gleich beim Ufer gebaut. Ihre Stärke und Magie spielt sie allerdings nichts tagsüber, sondern nachts, beim erwähnten klaren Sternenhimmel aus.
Die Fahrt von Christchurch führte durch die Canterbury Flats, via Geraldine nach Fairlie. Da soll es übrigens in einer Bäckerei die besten Pies des Landes geben. Probiert haben wir diese allerdings nicht, da wir unsere Sandwiches rund eine halbe Stunde vor diesem Örtchen verdrückt hatten. Weiter ging es über den Burkes Pass, welcher stolze 709 Meter über Meer liegt (da fehlt keine Zahl!), zu unserem Ziel. Hotel im Navi eingegeben, gefunden, eingecheckt und überwältigt. Der Wegweiser vom Parkplatz zu unserem Zimmer war bereits mit der Aufschrift «Villas» versehen, was wir gegenseitig mit Schulterzucken quittierten. Im Zimmer angekommen wurden wir positiv überrascht. Gerade aus ging es zum Schlafzimmer, welches einen schönen Blick auf den Lake Tekapo, also den See, bot. Ebenfalls auf gleicher Ebene lag das Badezimmer mit Dusche, WC und Designer-Badewanne. Eine Treppe führte eine Etage nach oben wo es eine sehr geräumige, voll ausgestattete Küche, einen Esstisch sowie eine Lounge mit Sofa und Sofatisch gab. Dazu einen Balkon, welcher ebenfalls in Seerichtung ausgerichtet war. Ja, hier konnte man es aushalten. Schade hatten wir nur diese eine Nacht hier gebucht.
Aber zurück zum Thema. Sternenfotografie wollen wir hier machen. Neuseeland ist wegen der eingangs erwähnten, praktisch inexistenten Lichtverschmutzung ein Paradies für Sternenfotografie oder Astrofotografie. In der Schweiz sind solche Bilder nur schwer zu schiessen, da man sich doch ein abgelegenes Plätzchen in den Bergen suchen muss, um den menschgemachten Lichtern zu entgehen. Hier im Herzen der Südinsel gibt es keine grössere Stadt, selbst kleinere Dörfer gibt es hier selten. Allerdings darf es natürlich keine Wolken haben. Und genau das war das Problem. Auf der ganzen Fahrt von Christchurch nach Lake Tekapo war es mehr oder weniger bewölkt, und je näher wir Tekapo kamen, nahm auch die Bewölkung zu. Sie wurde immer dichter, bis es dann schliesslich kurz nach dem Einchecken im Hotel auch zu regnen anfing. Uns schwammen die Felle davon. Hatten wir doch nur diesen einen Tag resp. diese eine Nacht um die Sterne hier, am dunkelsten Fleck von Neuseeland, einzufangen. Ein herber Dämpfer. Handys gezückt und die Wetter-Apps gestartet. Gleichzeitig noch sämtliche Wetter-Seiten im Internet aufgerufen. Und die Wetterfrösche dieser Welt schenkten uns Hoffnung. Hoffnung, auf einen klaren Abend und eine klare Nacht. Hoffnung, die Sterne doch noch hier fotografieren zu können.
Wir warteten, inspizierten den Himmel, schrieben Blog-Berichte, inspizierten den Himmel, lasen Bücher und inspizierten wiederum den Himmel. Wir versuchten förmlich die Regenwolken mit unseren Blicken zu vertreiben. Ruhig mussten wir bleiben, den Wetterfröschen Vertrauen schenken und warten. Und siehe da, die Wolken rissen auf. Am späteren Nachmittag verzog sich die Wolkendecke mehr und mehr bis dann zur frühen Dämmerung hin ein klarer Himmel mit den ersten Sternen aufwartete. Wir bereiteten ein frühes Abendessen zu damit wir zum Sonnenuntergang rechtzeitig bei der Kirche unten am Ufer sein würden.
Um zirka 20.30 Uhr fanden wir uns gegenüber der Kirche auf einer kleinen Anhöhe, gleich beim Ufer des Tekapo-Sees, ein. Die untergehende Sonne hüllte die Kirche gegenüber in ein rötliches Licht, welches wunderbar mit den Steinen und der umliegenden Landschaft harmonierte. Leider hatten nicht nur wir diese Idee, sondern auch gefühlte hundert asiatisch-stämmige Touristen, welche bereits jetzt die Kirche von nahem belagerten. Ein Bild der Kirche ohne Menschen war schier unmöglich. Also entschlossen wir uns, ebenfalls direkt zur Kirche zu fahren um unser Glück da nochmals zu versuchen. Leider war es auch hier praktisch unmöglich, da diese Touristen (viele davon werden übrigens auch in einem späteren Beitrag beschrieben) offenbar kein Auge für die Szene hatten und immer unmittelbar vor der Kirche stehen mussten um entweder Makroaufnahmen der Kirche oder Selfies zu schießen.
Wir zogen von dannen, denn es gab ja noch die 2. Phase von unserem Tekapo-Aufenthalt, welcher erst später kommen sollte. Und dann würde niemand mehr direkt vor der Kirche stehen. Denn der kleine Vorgarten, wen man dem so sagen möchte, wird jeweils ab ca. 21.15 Uhr für sämtliche Personen gesperrt. Die 2. Phase sollte Fotos der Milchstrasse über der Kirche zum Ergebnis haben. Wir fuhren also zurück zum Hotel und vertrieben uns die paar Stunden, bis wir uns gegen elf Uhr nachts wieder in Richtung Kirche aufmachten.
Der Sternenhimmel, welcher sich uns zu dieser späten Stunde bot, war schlicht der Oberhammer! Es war stockdunkel, nicht einmal die paar Laternen des Dörfchens störten die Szenerie, und man sah Trilliarden von Sternen am Himmelszelt. Man konnte die Milchstrasse von blossem Auge erkennen. Das war genau das, was wir gesucht und geplant hatten. Wir lichteten die Szene mit unseren Kameras ab und standen danach für längere Zeit einfach unter dem Himmel, blickten in dieses unglaubliche Meer aus leuchtenden Punkten und freuten uns.
Zufrieden und glücklich über diesen gelungenen Abschluss des Tages kehrten wir zum Hotel zurück.